Vereinszeitschriften aufbewahrt, woraus diese Rede stammt, die von Oscar Leede im Dezember 1898 in Dresden launig vorgetragen wurde (hier in gekürzter Form). Im Jahre 2000 / Ein philatelistisches ZukunftsbildAls ich aus meiner "Betäubung" erwachte, schien die helle Morgensonne durch's Fenster. Aber ..., wo befand ich mich denn ? Eigenartige Räume mit seltsamen Möbeln umgaben mich. Sonderbare Apparate standen hier und da umher. (Fernseher / Computer / Recorder ?) Eigenthümliche Bauten zeigten sich meinem Blick durch's Fenster und auf der Straße boten sich dem Auge viele Merkwürdigkeiten. Meinem Fenster gegenüber befanden sich sechs sonderbar gebaute, mit Flügeln versehene Luftballons, die alle mit Ketten an Ringe im Straßenpflaster gefesselt waren. Die Luftballons hatten offene Gondeln mit bequemen Sitzpolstern und in jeder befand sich ein Mann, dessen Uniformierung lebhaft an die so überaus geschmackvolle Dienstkleidung der Dresdner Droschkenkutscher erinnerte............... (Er fährt mit diesem Lufttaxi zum Dresdner Altmarkt, wo sich das Vereinshaus als ein prächtiger Palast präsentiert ...) Beim Näherkommen las ich über der säulengetragenen Vorhalle in goldener Schrift die Worte : "Internationaler Philatelisten - Verein". "Donnerwetter", entfuhr es mir unwillkürlich, denn ich hatte trotz der genialen Finanzwirthschaft unseres Schatzmeisters unsere Vereinskasse doch nicht für so leistungsfähig gehalten. Ich schritt durch das Portal... in eine große Vorhalle mit gewölbter Decke ... (Ein vornehmer älterer Herr namens Markus von Kalau macht mit ihm einen Rundgang durch das Vereinshaus : ) "Ich darf Sie wohl ersuchen, Ihren werthen Namen in das Fremdenbuch einzutragen". Auf einem reichgeschnitzten Pult aus Ebenholz lag ein dickleibiger goldbeschlagener Foliant. Auf der Seite stand ein Datum : Dresden, den 1. April 2000. "Wollen Sie nicht Ihre Garderobe ablegen ?" Ein Diener sprang herzu und nahm mir den Hut ab und hätte mir vor Eifer fast noch den Mantel ausgezogen... "Die Herren Philatelisten sind es eigentlich gewöhnt, ausgezogen zu werden" . Da stimmte ich ihm aus tiefstem Herzensgrunde zu. Auf einem kleinen Tischchen lag ein kleines weißes Heft von etwa 6 Seiten. "Das ist das Weiße Buch, in dem die ehrlichen Tauschpartner verzeichnet sind. Früher gab es ein Schwarzes Buch, das hatte zuletzt 243 Bände" "Hier sehen Sie den neuesten Katalog der Geschwister Mostrich" (Der Welt-Katalog der Gebrüder Senf hatte 1898 einen Band !) Im Schrank befanden sich 36 Bände vom Umfang eines Konversationslexikons. Die Einbanddecken schillerten in allen Regenbogenfarben. "Manchem Sammler sind nicht nur die Einbände, sondern auch die Preise zu bunt" sagte der Herr. Dann zeigte man mir auch das Beratungszimmer des Großen Ausschusses und das Restaurant ... Der Herr ging zu einem Fernsprecher und sprach mit der Irrenanstalt : "Wie geht es unserem Mitglied Nr. 22 384 ?" "Der ist in einer Gummizelle, er hat eine fixe Idee, er hält sich für eine Fürstlichkeit, einen Klebe- Falzgrafen". "Von der Ausdehnung, die unser Verein besitzt, machen Sie sich gar keinen Begriff, kürzlich haben wir sogar bei den Kannibalen eine Section gegründet " Da kam der Vereinsdiener mit einer Depesche : "Ein Unglück ist geschehen, anläßlich einer Vereinsfeier der Kannibalen wurde der 1. Vorsitzende von den Mitgliedern aufgefressen !!" Aus dem Fenster sah ich einen Möbelwagen. Mir wurde erläutert : "was da verladen wird, ist eine Spezialsammlung mittelamerikanischer Staaten in einigen tausend Bänden, die geben zur Zeit zweimal die Woche eine neue Markenserie heraus." "Erlauben Sie mir, Ihnen die größte Rarität unserer Vereinssammlung zu zeigen. Dieses Couvert wurde in Kaschmir mit einer Liberia-Marke frankiert aufgegeben, ging durch einen Irrthum nach Queensland und erhielt dort den badischen Uhrradstempel No. 87. Dem Adressaten, einem Herrn in Paris, wurde der Brief durch die russische Levante - Post zugestellt, auf der Rückseite fand sich eine montenegrinische Nachportomarke, die sonderbarerweise mit einem sächsischen Gitterstempel No. 250 entwertet war. Ein Engländer bot uns für dieses Curiosum eine halbe Million Pfund, allein, das Stück ist uns um alle Schätze Indiens nicht feil!" Man führte mich in das Telegraphen- Zimmer : "Sie sehen hier eine Anzahl Beamte beschäftigt, Meldungen neuerschienener Postwerthzeichen entgegen zu nehmen" erklärte mir mein Begleiter. Ich las auf dem frischen Papierstreifen : "Botokuden - Land : Aus Anlaß des Ablebens der Schwiegermutter König Wischi-Waschi's erfolgt die Ausgabe einer Jubiläumsserie von 35 Werthen " Dann zeigte er mir einen Ballen Zeitungspapier : "das ist eine Ausgabe eines philatelistischen Anzeigenblattes." ... Wir durchschritten das Rauchcabinett, den Billardsalon und das Scatzimmer. "Der Herr dort ist ein berühmter Gummispezialist, er sammelt die Postwerthzeichen nach den verschiedenen Gummierungen, auch nach Farbe, Geruch und Stärke" Mir ging das alles doch sehr über die Hutschnur. "Entschuldigen Sie, bestehen denn die Mitglieder des Vereins nur noch aus Verrückten ? " und zeigte meine eigene Mitgliedskarte vor. Nun aber wurde ich unsanft gepackt und als ein Betrüger vor die Tür geworfen. Ich griff mit meinen Händen an meinen schmerzenden Kopf und ... erwachte. Ich lag auf dem Fußboden neben meinem Sopha, die Sonne schien und unweit auf dem Teppich lag mein vertrauter "Senf - Katalog" von 1898/99. ----------------------------- Der Vortrag erregte große Heiterkeit, fand ungetheilten Beifall und wurde lebhaft beklatscht. ----------------------------- |