Geschichte der chinesischen Schrift
Geschichte der chinesischen Schrift

Auszug aus Hans Jensen "Die Schrift", VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1969, Reprint der 3. Auflage, Seiten 167 - 169 : (aktualisiert durch Andreas Guder)

Von der Beschaffenheit der Schreibstoffe hängt in hohem Grade auch der Duktus ( Duktus = äußere Gestaltung, Linienführung) der Schrift ab.
Vor der Erfindung des Schreibpinsels und des Papiers hat die äußere Form der chinesischen Schriftzeichen deswegen ein erheblich änderes Aussehen als nach jenen Erfindungen.
Wir werden im folgenden die Entwicklung des Schriftduktus von der ältesten bis in die moderne Zeit kurz zu umreißen und an Hand von Abbildungen anschaulich zu machen versuchen.

Der älteste uns bekannte Schriftduktus findet sich auf Bronzegeräten, die bis ins 2. Jahrtausend vor Chr. zurückgehen, sowie auf den bereits erwähnten, in Honan gefundenen, meist mit Orakelsprüchen beschrifteten Tierknochen.
Diese Schriftform, die noch meist unschwer als solche erkennbare Bildzeichen enthält, pflegt von den Chinesen als Gu-Wen ( "Schrift des Altertums") bezeichnet zu werden.
Proben von dieser Schriftart geben die Abb. 135 und 136.
Feuer
Wasser
Sumpf
Donner
Wind
Berg
Erde
Himmel
Gu wen Gu wen Da zhuan Xiao zhuan Li shu Cao shu Ba fen shu Kai shu Xing shu  
Vorzeit um 800 v.C. 800-220
v.C.
um 209 v.C. um 200 v.C. ab
200 v.C.
ganz kurz
um 100 n.C.
ab
etwa 400
ab
etwa 400
 
Geschichtstafel Abb. 135


Heute noch in Gebrauch :
Da zhuan = "Große Siegelschrift" und Xiao zhuan = "Kleine Siegelschrift" für Urkunden , Titel usw.
Kai shu = "Normalschrift" zum Druck
Xing shu = "Kurrentschrift" und Cao shu = "Grasschrift" für Handschriften

   
Abb. 136 : Probe der Gu wen (=Schrift der Vorzeit) mit moderner Umschrift

Die Zeichenformen werden uns auch in dem Wörterbuch "Shuo wen jie zi" des Xu Shen überliefert
(entstand um 100 n.Chr. und ist das Standardwerk fuer alles, was mit Schriftzeichengeschichte zu tun hat).
Die Gu wen war übrigens noch wenig standardisiert, sie wies vielmehr eine Fülle von Zeichenvarianten auf ;
z. B. hat das Zeichen deng (modern ) "Opferschale" 32 Varianten !
Das o.g. Lexikon "Shuo wen" enthält auch etwa 320 Zeichen, die, als Zhouwen bezeichnet, eine schon etwas fortgeschrittene Entwicklungsstufe darstellen und als eine etwa seit dem Kaiser Shi Huangdi (827-781) verwendete Art genormter Kanzleischrift angesehen werden können.



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