Geschichte der chinesischen Schrift


Die Erfindung des Papiers im Jahre 105 n.Chr. in Verbindung mit der schon vorher gemachten Erfindung des Haarpinsels mußte umgestaltend auf den Schriftduktus wirken.
Die nunmehr in Gebrauch gelangende Schrift weicht nicht nur im Sinne einer weiteren Vereinfachung, sondern auch in schreibtechnischer Beziehung zum Teil erheblich von der Xiao-zhuan ("Kleines Siegel") ab.
Die neue, Li-Shu "offizielle Schrift" genannte, von einem gewissen Cheng Miao erfundene Schriftform (vgl. Geschichtstafel Abb. 135) wurde freilich im 4. Jahrhundert ihrerseits verdrängt durch den Duktus Kai-Shu "Modellschrift" oder "Normalschrift", bisweilen auch Cheng-Shu "korrekte Schrift" genannt.
Nach der Tradition ist sie die Erfindung des Kalligraphen Wang-Hsi Chih (321-379 n. Chr.). Sie ist die bis zum heutigen Tage maßgebende Schriftform geblieben, hat auch durch das Aufkommen der Buchdruckerkunst nur wenige Änderungen erlitten, höchstens im Sinne der Herausbildung einer etwas mehr linearen, steiferen und zugleich völlig einheitlichen Form; wir erkennen diese noch heute in der chinesischen Druckschrift
(s. Geschichtstafel Abb. 135).

Neben der Normalschrift Kai-Shu entwickelten sich frühzeitig kursive Schreibformen, so eine ihr noch sehr ähnliche, Sung-Shu genannt, die in sorgfältigerer Schreibung verwandt wird, die Xing-Shu ("Kurrentschrift"), die schon etwa 220 n.Chr. aufkam und heute wegen ihrer guten Leserlichkeit trotz ihrer Kürze gern in der gepflegten Privatkorrespondenz u. ä. angewandt wird, und schließlich die außerordentlich stark vom Normaltyp abweichende, schwer lesbare Cao-Shu "Grasschrift" (s. Geschichtstafel Abb. 135).
Die dort mit aufgeführte Schriftform Ba Fen-Shu ist eine wenig im Gebrauch gewesene Form, die zur Zeit des Kaisers Kuang Wu-Ti (25-58 n.Chr.) von dem Gelehrten Wang-Tsi Chung aufgebracht wurde.

Heute werden von all den genannten Duktus die Kai-Shu für Druck und Lithographie, Xing-Shu und Cao-Shu als Schreibschrift verwendet, alle anderen nur für Überschriften, Titel und rein ornamentale Zwecke.

Eine besondere Stellung nehmen die ausgesprochenen Zierschriften ein.
Bei den Zierschriften haben wir es mit den verschiedenartigsten Variationen der normalen Schriftformen zu tun , deren die chinesischen Paläographen und Kalligraphen über 100 kennen. Hier sind 11 Beispiele :

Abb. 138 zeigt das Zeichen für xin = "Herz" außer in der Normalform Kai-Shu (a) in einer Anzahl von Zierschriften, nämlich in der "Schrift der kostbaren Steine" (b), der "wunderbaren Schrift" (c), der "Ährenschrift" (d), der "Schrift der erhabenen Orte" (e) - noch heute in Stempeln u. ähnlichem,
der "Sternschrift" (f), der "Wolkenschrift" (g), der "Kaulquappenschrift" (h), der "Vogelschrift" (i), der "Drachenschrift" (k), der "Goldfeilenschrift" (l), der "Glocken- und Vasenschrift" (m).





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